"Das ist ein Gottesdienst -  da macht man keine Bilder!"

Konstruktive Gedanken zur Fotografie in der Kirche.

Als Hochzeitsfotograf habe ich die große Ehre auf vielen Trauungen dabei zu sein und zu dokumentieren, wenn zwei Menschen sich Treue und Liebe versprechen und vor vielen anderen Menschen bekennen. 

Ich erlebe viele Arten von Trauungen: Standesamtliche und „weltliche“  bzw. „freie“ Trauungen, islamische Trauungen, katholische, evangelische und freikirchliche Trauungen. Auch wenn meine Frau und ich vor 8 Jahren Gott um seinen Segen für unsere Ehe gebeten haben, wir dies mit unseren Freunden in einer großen Trauung zelebriert haben und uns bewusst für einen christlichen Traugottesdienst entschieden haben, gilt für mich der Satz von Martin Luther: „Die Ehe ist ein weltlich Ding“ - denn es ist die freie Entscheidung zweier Menschen füreinander und ein Bund bzw. ein Vertrag den beide eingehen. Das ist, aus meiner Sicht, immer ein Grund zu feiern. Ein Grund sich zu freuen und immer ein großes Fest wert. 

 

Als ich allerdings vor einigen Wochen eine Hochzeit in einer Hamburger Kirche fotografieren durfte, kam es mal wieder zu einer unschönen Situationen rund um die Trauung und ich wünsche mir sehr,  dass „meine“ Brautpaare und ich möglichst selten wieder in ähnliche Situationen kommen. Obwohl ich bereits mehrere Trauungen in jener Kirche hatte, das Brautpaar die Information bekam, dass ich fotografieren dürfe, entwickelte sich eine kleine Krise. Ich hatte die Braut bereits beim Getting Ready am Vormittag begleitet und kam dann gemeinsam mit ihr und ihren Brautjungfern vor der Trauung an der Kirche an. Da ich die Kirche ja bereits kannte, das Brautpaar geklärt hatte, dass ich fotografieren darf, und ich schon eine Trauung in dieser Kirche fotografisch begleiten durfte, ging ich freundlich und zuversichtlich auf die Pastorin zu, stellte mich vor und fragte sie, ob ich noch was beachten soll. Daraufhin bekam ich nur ein Kopfschütteln und den Satz: „Das ist ein Gottesdienst, da macht man keine Fotos“.  Man kann sich denken, dass dies natürlich nicht gerade auf Begeisterung beim Brautpaar und mir stieß. Aber auch nach mehrfachen Nachfragen und inständigen Bitten der Braut und mir, blieb die Pastorin hart und wiederholte diesen Satz. Auch wenn der Schock natürlich erstmal groß war, kann ich jetzt sagen, dass es letztlich noch glimpflich ausging. Ich konnte mich mit der Pastorin aussprechen und mit dem Brautpaar habe ich nach der Trauung noch einige wichtige Szenen nachgespielt. Trotzdem hat mich eben dieses Erlebnis dazu bewegt, diesen Blogartikel über das Thema zu schreiben. 

Bevor ich als Hochzeitsfotograf anfing zu arbeiten, habe ich selber viele Jahre als Musiker und Diakon in einer Kirchengemeinde gearbeitet und ich maße mir damit an, beide Seiten zu verstehen und vielleicht ein paar konstruktive Gedanken zu formulieren. Als dieser gesagte Satz über die Lippen der Pastorin ging, konnte ich mir natürlich vorstellen, was einen Menschen dazu bewegt, solche Worte zu sprechen. Da gibt es Fotografen, die locker 1000 Bilder in einer Trauung schießen, und wenn die Kirche dunkel ist, dann erschallt nicht nur der Verschluss der Kamera durch den Saal, sondern dann werden vielleicht auch noch die Decken und Altäre in ein Blitzlichtgewitter gehüllt. Auch habe ich durchaus schon Kolleginnen und Kollegen erlebt, die häufig der „Gemeinde“ und damit den Verwandten des Brautpaares die Sicht verstellt haben oder ständig dem Pastor durchs Bild liefen. Ja, man kann also wirklich viel falsch machen, und ja, sicherlich trifft man als Fotograf dann manchmal auf „verbrannte Erde“. 

Da allerdings viele Fotografen und vielleicht auch Brautpaare diesen Satz: „Das ist ein Gottesdienst, da macht man keine Fotos“ gehört haben, möchte ich hiermit eine Art Lösungsvorschlag machen, und hoffe, damit anderen Paaren, Pastoren und Fotografen zu helfen. Aber ich werde diesen Satz  eindeutig kritisieren und bitte alle Geistlichen, ihn deutlich zu überdenken. Habe ich als Verantwortlicher einer Trauung die Eigenschaft erlangt (und ich kritisiere nicht, dass man vielleicht irgendwann an diesem Punkt angelangt ist) dass mich Fotografen stören, dann bitte ich es dem Brautpaar deutlich zu sagen. Braut und Bräutigam können nämlich dann selber entscheiden, welche Schritte folgen - sollten keine Bilder erlaubt sein.  Anders entsteht schnell der Eindruck, als könnte der Dienst des Fotografen „ungeistlich“ und theologisch nicht tragbar sein. In der Bibel gibt es nämlich wenig Hinweise, was im Gottesdienst erlaubt und verboten ist. Ziel eines Gottesdienstes ist immer, Gott zu begegnen - wie das geschieht, ob laut oder leise - das ist von Generationen und Kulturen, verschiedenen Geschmäckern stets unterschiedlich ausgelegt worden. Aber nun zu denken, ein Gottesdienst muss immer still und andächtig sein, ist falsch. Man schaue sich nur mal den Psalm 150 an, wo steht, das wir Gott mit „Schlagzeug“ und allerhand lauten Instrumenten und Stimmen loben sollen. Oder fragen sie mal einen afrikanischen Christen, wie er einen lutherischen deutschen Gottesdienst empfindet. Die Fragen lauten also viel mehr: Was lenkt mich ab? Warum lenkt mich etwas ab - und: Will ich mich ablenken lassen? Eine Trauung ist lebendig, weil Menschen selber lebendig sind. Ich kann mich von Kindern ablenken lassen, von hustenden Menschen, von Versprechern, von traumhaft hübschen Bräuten, von Rechtschreibfehlern im Programm. Alles ist möglich. Was dazu noch manche Geistliche vergessen: Das Brautpaar gibt in der Regel viel Geld dafür aus, damit dieser so wichtige Moment, mit all den Emotionen, den wichtigen Menschen und ihr Versprechen, gut auf Bildern festgehalten wird. Wenn man also ein Brautpaar vor sich sitzen hat was unglücklich darüber ist, dass spontan keine Bilder gemacht werden dürfen - das würde mich persönlich doch sehr ablenken.  Also - sollte das Knipsen der Kamera ein Problem für einzelne Menschen darstellen, weil es vom Gottesdienst ablenkt - brauchen wir eine Lösung.  

Ein katholischer Priester sagte vor einigen Wochen, als wir kurz vor der Trauung ins Gespräch kamen: „Ich möchte sie bitten sehr vorsichtig vorzugehen, denn sie wissen ja: ein schlechter Fotograf kann alles kaputtmachen - ein schlechter Pastor aber auch.“ Ein, wie ich finde, exzellenter Satz. Wir müssen miteinander reden, wir müssen vorsichtig sein, wir müssen uns respektvoll behandeln, aber wir sollten vor allem eins: Alles dafür tun, damit unser Dienst - wunderbare Momente einzufangen von einem einmaligen Ereignis - so gut wie nur irgend möglich stattfinden kann. Und dafür ist es wichtig, dass jedes Paar vorher auch den Pastorinnen und Pastoren deutlich macht, wie wichtig ihnen persönlich diese Bilder sind, und dass jeder Fotograf respektvoll mit diesen Augenblicken, den Menschen, die sie gestalten, und den Orten umgeht. Für mich konkret heißt das: Ich blitze während der Trauungen nicht. Ich suche mir vorher Orte, von denen ich gut fotografieren kann - ohne Menschen zu belästigen, ich frage die Verantwortlichen, was geht und was nicht geht, aber ich tue alles was möglich ist, um am Ende mit den Bildern die Geschichte von „meinem Brautpaar“ erzählen zu können. Das ist meine Leidenschaft und auch ein Stück weit meine Berufung. Ich glaube, wenn man vorher liebevoll mit allen Beteiligten umgeht, dann klappt das auch. Jedenfalls meistens.

Gott sei Dank, habe ich bisher höchst selten solche Momente wie beschrieben erlebt. Die absolute Mehrheit der Pastorinnen und Pastoren, auch die über die ich schrieb macht einen ganz hervorragenden und liebevollen Dienst am Menschen! Mir war es mit dem Artikel nur wichtig ein Gegenargument für diesen Satz zu liefern! Euch allen, tolle Trauungen - egal ob in Kirche, Moschee, dem Standesamt oder auf der Wiese: Love wins.